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Caroline Schlüter


Mitbegründerin, Geschäftsführerin und seit 2023 Inhaberin von #letsmuseeum: Caroline Schlüter


Ich treffe Caroline Schlüter an einem Mittwochmorgen im September. Verabredet sind wir in der Kunsthaus Bar am Heimplatz in Zürich. Es ist frühmorgens, doch das Lokal bereits gut besucht mit schlaftrunkenen Gästen.


Liebe Caroline, seit 2023 bist du nebst Geschäftsführerin auch Inhaberin von #letsmuseeum. Was ist #letsmuseeum, für alle, die euch noch nicht kennen?

#letsmuseeum schafft Brücken zwischen Institutionen und deren Publikum. Wir sind seit 2017 in der Kunst- und Kulturvermittlung tätig, aber sehr unakademisch und unklassisch. Ich glaube, dass eben dieser niederschwellige Ansatz vielen Leuten hilft, sich willkommen und angesprochen zu fühlen. 3 Jahre lang haben wir unter dem Label #letsmuseeum eigene Museumstouren in der Deutschschweiz entwickelt und durchgeführt. Seit 2020 tun wir dies nur noch für und mit Institutionen. Wobei wir unterdessen auch Audioguides und Spiele entwickelt haben. Wir haben heute noch 2 Museums- und 2 Stadttouren, die wir selber anbieten. Ein uns heiliges Überbleibsel aus unserer Startphase, sozusagen. Bei unseren Touren wird das Publikum an der Hand genommen, und zwar von jemandem, der wie sie, Fan einer Institution, eines Themas oder einer Ausstellung ist. Dadurch erzählt er oder sie ihnen ungewöhnliche und unerwartete Geschichten, anstatt sie mit Fakten zu «belehren». Unser Fokus ist vor allem weg von einer informativen, wissenlastigen Vermittlung hin zu etwas Niederschwelligem und Zugänglichem. Etwas, das berührt und nicht primär informiert.


Die Kernkompetenz von #letsmuseeum ist emotionales Storytelling. Was ist das und inwiefern unterscheidet sich eure Methodik von «klassischen Vermittlungsangeboten»?

Mit Emotional Storytelling meinen wir das Verpacken von Wissen in Geschichten, die berühren und die dadurch auch in Erinnerung bleiben. Das kann auch ein Fakt sein, aber dieser Fakt muss so verpackt werden, dass er nicht als solcher wahrgenommen wird,

sondern als Geschichte. Ich beobachte in der Kunstvermittlung oft eine ziemlich ausgeprägte Faktenlastigkeit. Wenn man mit Fakten überladen wird, kann man sich am Schluss gar nichts mehr merken. Wenn hingegen gezielt Informationen ausgewählt und diese gut in Geschichten verpackt werden, dann bleiben die vielmehr hängen. Ich glaube, das ist ein Hauptunterschied zu «klassischen Vermittlungsangeboten».

Zudem werden klassische Vermittlungsangebote immer von Experten durchgeführt. Diese haben einen riesigen Wissensschatz und es ist natürlich, dass man diesen auch teilen möchte. Ich kritisiere das gar nicht per se, aber ich finde es wichtig, dass es daneben noch andere Angebote gibt. Es braucht unbedingt auch etwas für das Laienpublikum, das ohne Vorkenntnis und ohne Affinität ins Museum kommt. Und dieses Laienpublikum ist ein sehr sehr grosses. Wer Museen für ein breites Publikum öffnen will, muss es einfach anders machen.


Das heisst, dass es bei der Gründung von #letsmuseeum euch ein Anliegen war, einem diverseren Publikum die Institution «Museum» näher zu bringen?

Ja, ganz klar. Einem diverseren und vor allem auch einem jüngeren Publikum. Fast alle Museen kämpfen damit, junge Leute ins Museum zu bringen. Es gibt zwar Ausstellungen, die ein jüngeres Publikum anziehen, wie beispielsweise die Ausstellungen von Pipilotti Rist oder Olafur Eliasson im Kunsthaus Zürich. Aber generell ist das ein Problem in der Museumslandschaft, dass sie einfach ein relativ altes Stammpublikum haben. Dort glaube ich, braucht es eine Reflexion darüber, was jüngere Generationen brauchen, wie man sie ansprechen kann und was sie sich gewohnt sind aus ihrem Alltag der permanenten digitalen Bespielung… Es gibt da generell noch recht viel aufzuholen und auszuloten. Das braucht natürlich Mut, das ist mir schon klar. Und dann ist es auch so, dass man, um konkret eine Zielgruppe zu erreichen und zu begeistern, möglicherweise eine andere ausser Acht lassen muss.


Wir von #letsmuseeum haben beispielsweise nie versucht, es allen recht zu machen. Ich denke es ist besser, etwas mit Charakter, mit Ecken und Kanten, zu entwickeln, auch wenn gewisse Leute es überhaupt nicht verstehen und es vielleicht auch einen Seich finden werden… Wenn wir heute einen Auftrag bekommen, klären wir zunächst immer die Zielgruppe ab, da heisst es oft: «für Alle». Und das ist absolut okay, #letsmuseeum ist ja auch für ein breites Publikum aktiv geworden, aber ich glaube manchmal dürften Institutionen etwas mehr Mut haben, etwas für ein jüngeres Publikum anzubieten mit dem Risiko, dass es die Älteren einfach nicht verstehen werden.


Wir von #letsmuseeum haben beispielsweise nie versucht, es allen recht zu machen. Ich denke es ist besser, etwas mit Charakter, mit Ecken und Kanten, zu entwickeln, auch wenn gewisse Leute es überhaupt nicht verstehen und es vielleicht auch einen Seich finden werden…

Es ist andersrum auch so, dass viele Vermittlungsangebote, ich denke dabei an Führungen durch die Sammlung, an Podien oder Vorträge, ausschliesslich auf ein älteres Publikum zugeschnitten sind.

Ja, absolut. Aber das ist doch so schade, nicht?! Ich finde es auch nach wie vor haarsträubend, wenn man sich die Öffnungszeiten von Museen anschaut. Wann kann ein jüngerer Mensch ins Museum? Vielleicht am Samstag oder am Sonntag, wenn die Konkurrenz von anderen Freizeitangeboten eh schon riesig ist. Oder an Abenden mit längeren Öffnungszeiten, klar. Aber davon gibt es nicht sehr viele. Die meisten Museen bei uns schliessen um fünf oder sechs ihre Türen… und dann ist klar, wer kommen kann und wer eben nicht.


Zurück zum Emotional Storytelling. Gibt es deiner Meinung nach auch Grenzen des emotionalen Storytellings? Gibt es Inhalte, die zu komplex sind, um sie in eine packende Geschichte zu verwandeln?

Nein, gibt es nicht. Man kann es überall anwenden, überall wo ein Wissenstransfer stattfinden soll. Ob in einem Museum, einer Firma, einer Manufaktur, einer Stadt oder einem Hotel, überall dort, wo man einem Publikum etwas näherbringen will, kann und soll meiner Meinung nach Emotional Storytelling angewandt werden. Fakten und Werte in Geschichten einbetten, die mich emotional berühren. Bitte immer!


Wenn ich mich als Kunstvermittlerin versuche in die Methode des Emotional Storytelling reinzudenken, stellt sich mir die Frage, ob man gewissen Inhalten nicht gerecht werden kann damit. Nehmen wir beispielsweise die Sammlung Bührle im Kunsthaus Zürich. Wie schafft man es, der Komplexität und Brisanz dieser Sammlung gerecht zu werden, und sie dennoch in eine emotional packende Geschichte zu verpacken?

Das ist eine gute Frage…generell sind wir der Meinung, dass Dinge, die man einfach nachgoogeln kann, nicht zwingend in eine Führung gehören. Wir sind eher auf der Suche nach unentdeckten Anekdoten und Geschichten. Auch nach unnützem Wissen, das aber oft so toll ist, das es hängenbleibt.

Zu Beginn von #letsmuseeum waren wir komplett unabhängig von Institutionen und konnten dadurch einfacher heikle Themen ansprechen. Bei unseren Führungen wird die Bührle-Thematik angesprochen, aber auf eher ungewohnte Art. Wir picken – das tun wir oft – einen Aspekt heraus und gehen auf diesen ein. Wir versuchen nicht, die ganze Problematik zu erklären, das ist nicht unsere Aufgabe. Und wir gehen auch auf eher ungewohnte Art darauf ein, indem wir einen Perspektivenwechsel machen. Ein betroffenes Werk spricht direkt zum Publikum.


Du hast vorher bereits erwähnt, dass eure eigenen Vermittlungsangebote nicht von Expert:innen, sondern von Fans durchgeführt wurden. Was unterscheidet die beiden und weshalb habt ihr euch für den Fan entschieden?

Es hilft sicher, dass man eben nicht ein Expertenwissen im Rucksack trägt, welches einem dann die ganze Zeit entwischt. Ein Experte oder eine Expertin hat zudem einen Auftrag zu erfüllen, wie beispielsweise eine Kunstepoche zu erklären. Ein Fan hingegen hat einen ganz anderen Ausgangspunkt. Fans treffen Entscheidungen aufgrund von persönlichen Interessen, Leidenschaften oder Affinitäten, dahinter steckt eine ganz andere Motivation. Was mich als nicht Kunst-Expertin anspricht, ist rein emotional und intuitiv. Ich sehe etwas und habe eine Erinnerung, mache eine Assoziation. Das passiert auf der emotionalen Ebene. Das ist ein ganz anderer Startpunkt, um auch anderen etwas zu erzählen.


Man ist als Fan vielleicht auch näher am Publikum…

Genau, als Fan, der nicht vom Fach ist, ist man dem Publikum näher und begegnet ihm auf Augenhöhe. Das war immer unser Ziel: auf Augenhöhe Leidenschaft zu teilen und nicht zu belehren. Natürlich haben sich unsere Guides viel Wissen angeeignet, aber dennoch haben sie nie das Wissen eines Kunsthistorikers oder einer Kunsthistorikerin.


#letsmuseeum wurde 2017 als Start-up gegründet. Zu Beginn habt ihr vor allem Führungen durch unterschiedliche Institutionen veranstaltet. Seit 2020 seid ihr nicht mehr als Veranstalter, sondern als Berater und Partner tätig. Was bedeutet das?

Heute entwickeln wir keine eigenen Touren mehr und viele der bestehenden haben wir 2020 an die Museen abgegeben. Ausser in Zürich. Aber unsere Vision, die Wissensvermittlung etwas zu verändern und einen anderen Ansatz zu bieten, ist geblieben. Bis heute fokussieren wir uns auf Unterhaltung und Inspiration, anstatt auf Wissen und Informationen. Heute setzen wir unsere Expertise für andere ein, teilen sie auch gern. Wir entwickeln für und mit Museen Vermittlungsangebote, welche die Institutionen dann aber selber durchführen, verkaufen und vermarkten müssen. Das sind Museumstouren, Audioguides, Spiele... man kann so vieles machen!


…unsere Vision, die Wissensvermittlung etwas zu verändern und einen anderen Ansatz zu bieten, ist geblieben. Bis heute fokussieren wir uns auf Unterhaltung und Inspiration, anstatt auf Wissen und Informationen.

Geht durch diese neue Berater- und Partnerrolle nicht auch euer Anspruch, ein diverseres Publikum ins Museum zu locken, verloren? Ich kann ja nun bei euch keine Touren mehr buchen…

Neinnein, dieser Anspruch geht nicht verloren, denn dafür sind wir ja bekannt. Diejenigen Institutionen, die mit uns zusammenarbeiten wollen, kommen meistens gerade deswegen auf uns zu. Sie möchten ein Format, das ein neues, breites und vor allem ein Laienpublikum anspricht. Die meisten Institutionen haben bereits klassische Vermittlungsformate und suchen mit uns dann eben ein Angebot, das dieses ergänzt. Wir verbreiten damit unseren Ansatz des Emotional Storytellings. Und je verbreiterter dieser in Institutionen angewendet wird, desto verständlicher wird die Museumslandschaft fürs breite Publikum und desto mehr Menschen machen eine positive Erfahrung im und mit dem Museum. Weil sie es verstehen.


#letsmuseeum ist nicht an eine Institution gebunden und euer Vermittlungsangebot orientiert sich nicht an einer spezifischen Sammlung oder an Sonderausstellungen. Welche Vorteile und Nachteile bringt dies mit sich?

Ein Vorteil ist sicher, dass wir mit einer total neutralen Aussenperspektive hinzukommen, und dadurch keine Betriebsblindheit haben. Wir schauen, was da ist und was wir spannend finden. Was erstaunt uns, berührt uns, verblüfft uns und irritiert uns vielleicht auch. Dieser unvoreingenommene Blick ist auch für Auftraggeber ein Mehrwert, weil wir Dinge thematisieren, die sie vielleicht gar nicht (mehr) wahrnehmen.


Ich denke ein Nachteil ist, dass man meistens erst zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Projekt hinzustösst. Manchmal wäre ich gerne zu einem früheren Zeitpunkt involviert, um auch über strukturelle Dinge mitreden zu können, wie beispielsweise die Budgetverteilung…Seit Beginn sind wir immer wieder überrascht, irritiert und enttäuscht darüber, dass die Vermittlung einfach sehr wenig Budget zur Verfügung hat. Für uns ist das oft sehr schwierig nachzuvollziehen, wie eine Institution grosse und teure Ausstellungen realisieren kann, dann aber das Vermittlungsbudget sehr klein hält. Dies ist die erste Anlaufstelle fürs Publikum, das verdient meiner Meinung nach mehr Gewichtung. Erst dadurch kann das breite und diverse Publikum die tollen Ausstellungen dann auch erleben und verstehen.


Seit Beginn sind wir immer wieder überrascht, irritiert und enttäuscht darüber, dass die Vermittlung einfach sehr wenig Budget zur Verfügung hat. Für uns ist das oft sehr schwierig nachzuvollziehen, wie eine Institution grosse und teure Ausstellungen realisieren kann, dann aber das Vermittlungsbudget sehr klein hält.

Ist es heute so, dass Institutionen vor allem auf euch zukommen, um ein Vermittlungsangebot zu entwickeln, oder geht auch ihr auf Institutionen zu, bei denen ihr denkt, dass eure Angebote gut hinpassen würden?

Ich versuche selbstverständlich auch Eigenwerbung zu machen, da ist aber auf jeden Fall noch Luft nach oben da. Am Ende ist das eine Kapazitätsfrage. Seit ich Anfang Jahr auch Inhaberin von #letsmuseeum bin, sind einige, sehr verschiedene Anfragen aus dem Tourismus, von Museen, Alpinen Gärten und Bildungsinstitutionen gekommen, also sehr divers…da staune ich zwischendurch und freue mich sehr, dass #letsmuseeum sich seit 2017 einen Namen aufbauen konnte. Leider scheitern die Projekte teils am Budget. Da bin ich am Rumstudieren, ob wir mehr auch Stiftungen involvieren sollen. Nicht, dass wir selber Unterstützung bekommen, das geht ja nicht. Sondern dass Museen für bestimmte Projekte Stiftungen um Unterstützung anfragen und wir den Institutionen bei diesen Anträgen helfen.


Du bist heute Inhaberin von #letsmuseeum. Wie bist du zu #letsmuseeum gekommen?

Also das war so: Ich habe vor #letsmuseeum bei der Kommunikationsagentur Eggliwintsch gearbeitet, die viele Kunden aus der Kultur betreut hat. Die Agentur gehörte unter anderem Rea Eggli. Wir haben damals für Engagement Migros gearbeitet und eine Einladung bekommen für einen…ich glaube es war eine Art Pionier-Abend. Verschiedene Pioniere wurden eingeladen, um sich und ihre Pionierprojekte vorzustellen und dadurch, das war vermutlich die Idee, andere Leute zu inspirieren…und das hat bei uns funktioniert (lacht). Nick Gray, der Gründer von Museum Hack in New York, hat an jenem Abend eine Rede gehalten und bei uns ein Feuer entfacht. So was braucht es in der Schweiz auch! Danach hat Rea mit Engagement Migros das Gespräch gesucht, und das war perfect timing, denn die hatten damals einen dreijährigen Fokus auf die Förderung von Museumsprojekten und wir haben eine Förderung gesucht. Als Rea dann wusste, dass Engagement Migros bei einer Finanzierung dabei wäre, hat sie mich angefragt, ob wir es zusammen machen wollen. Ich würde sagen, die Initialgedanken hatten wir vor Ort zusammen, aber Rea, das ist ihr Naturell und ihre Stärke, hatte eine Vision und hat diese dann sofort angepackt und zur Realisation getrieben. Und ich habe #letsmuseeum dann sauber aufgegleist und strukturiert, Ruhe und Kalkül reingebracht. Meine Stärke.


#letsmuseeum hat für den Botanischen Garten der Universität Bern und für die Kunsthalle Basel jeweils ein Rätselspiel entwickelt, durch das Besucher:innen einer Institution zu Spieler:innen werden. Wie seid ihr dazu gekommen?

Ursprünglich haben wir ja mit Touren angefangen und dann bald gemerkt, dass es noch ganz viele andere Vermittlungsformate auszuprobieren gäbe. Wir haben dann erstmals einen Audioguide entwickelt und irgendwie kam die Idee auf, nochmals etwas ganz anderes auszuprobieren, und so sind wir zu den Spielen gekommen. Zeitgleich hatte uns ein Museum damit beauftragt, ein Konzept für eine Schnitzeljagd zu entwickeln. Da war bei uns der Spieltrieb definitiv entfacht.


Ein Spiel zu entwickeln ist ein ganz anderer Ansatz, ein sehr spielerischer, der sich meiner Meinung nach bewährt. Beide Spiele sollten für das Museum in der Abwicklung möglichst wenig Aufwand mit sich bringen und darum «guidelos» sein. Die beiden von uns entwickelten Spiele sind ganz unterschiedlich. Das Spiel der Kunsthalle Basel ist auf einen Wettbewerb ausgelegt, man spielt auf Zeit, um Punkte und gegeneinander. Das andere Spiel im Botanischen Garten hat diese Komponente nicht, da geht es eher darum, in aller Ruhe den Garten zu entdecken, genau zu schauen und zu staunen. Da stecken ganz unterschiedliche Spielmechanismen dahinter.


Was sind die Herausforderungen, wenn man solche, nicht-personale Vermittlungsangebote entwickelt?

Für beide Spiele war es sicher eine Herausforderung, das Spiel zu erklären, ohne dass eine Person das Spiel erklären und Fragen dazu beantworten kann. Denn diese Person gibt es eben nicht. Wir mussten also sicherstellen, dass das Spiel rein auf Introkarten oder auditiv über einen QR Code so erklärt wird, dass alle draus kommen. Möglichst kurz, möglichst klar und umfassend zugleich. Wir machen während der Entwicklung eines Spiels immer Testläufe und die sind essentiell, um herauszufinden, ob die Leute drauskommen, ob das Spiel funktioniert und auch Spass macht. Nach diesen Testläufen gab es immer Anpassungen bei den Anleitungskarten. Die Leute waren generell lesefauler und unaufmerksamer, als gedacht. Wie geht’s also noch kürzer, noch einfacher? Da mussten wir einen Weg finden, dass das funktioniert…und das ist sicher eine Herausforderung.


Wie seid ihr bei der Entwicklung der Spiele damit umgegangen, dass sich Dinge verändern in Museen? Also dass beispielsweise Objekte verschoben, ausgeliehen oder im Depot verstaut werden.

Das ist eine Herausforderung, die uns seit Beginn von #letsmuseeum beschäftigt, nicht erst im Zusammenhang mit diesen Spielentwicklungen. Da wir nicht in einer einzigen Institution tätig sind, und die Institutionen uns gegenüber keine Verpflichtungen haben, wurden wir eigentlich nie informiert, wenn Werke ausgeliehen oder umgehängt wurden. Da gab es einige Schreckensmomente bei den Guides. Aber sie und wir wurden Profis im Umgang damit. Im Improvisieren und agil bleiben.


Bei der Spielentwicklung für die Kunsthalle Basel – die ja nur Wechselausstellungen zeigt – war das Hauptziel, das Publikum für das Areal rund um die Kunsthalle zu sensibilisieren…dort gibt es ganz viele Institutionen auf engem Raum, vom Theater zum Kino über Restaurants, eine Bibliothek… Das Ziel der Kunsthalle war es, dass die Spieler:innen das gesamte Areal wahrnehmen und kennenlernen. Deshalb haben wir viele Stationen ins Spiel eingebaut, die gar nicht in den Ausstellungsräumen stattfinden, und falls doch, stehen sie nicht in direktem Bezug zur aktuellen Sonderausstellung. Es gibt zum Beispiel eine Aufgabe, bei der man von einer Person mit einer Sehschwäche angesprochen und von ihr gebeten wird, ihr ein Kunstwerk im Erdgeschoss so genau wie möglich zu beschreiben. Und da spielt es dann keine Rolle, um was für ein Kunstwerk es sich handelt, denn viel spannender ist, was für eine Beschreibung dabei herauskommt. Was die Spielenden sehen und beschreibenswert finden. In diesem Spiel ist man also mehrmals in den Ausstellungsräumen, aber die Aufgaben sind nicht an bestimmte Werke gebunden.


Und nun zum Abschluss, was wünschst du dir für die Zukunft von #letsmuseeum?

Ich fände es sehr toll, wenn es allgemein ein grösseres Bewusstsein geben würde dafür, was die Leute eigentlich brauchen und suchen. Und natürlich die Bereitschaft und das Bestreben, ihnen das auch anzubieten. Viele Museen machen in der Vermittlung vieles gut und richtig. Aber es gibt noch viel Potential, wie man es vielleicht auch mal machen könnte. Mal anders sein, mal um die Ecke denken, mal aus dem Rahmen springen.


Ich bin der Meinung, das Hauptanliegen von Institutionen sollte sein, dem Publikum eine bleibende Erinnerung zu ermöglichen, an ein Erlebnis oder einen Ort. Das ist nur mittels Emotionen möglich und dementsprechend müssen Institutionen auch bewusst Türen in diese Richtung öffnen. Wenn wir von #letsmuseeum dabei behilflich sein können und zum Zug kommen dürfen, umso schöner (lacht)…aber die Vision von #letsmuseeum war vor allem, dass eine Öffnung stattfindet. Und ich bin natürlich sehr glücklich, wenn #letsmuseeum ein Teil von dieser Öffnung sein darf, aber ich bin auch glücklich, wenn die Häuser diese Öffnung auf irgendeine andere Art schaffen.


Ich bin der Meinung, das Hauptanliegen von Institutionen sollte sein, dem Publikum eine bleibende Erinnerung zu ermöglichen, an ein Erlebnis oder einen Ort. Das ist nur mittels Emotionen möglich und dementsprechend müssen Institutionen auch bewusst Türen in diese Richtung öffnen.

Zudem strebe ich an, dass wir mit #letsmuseeum auch über die Museumslandschaft hinaus noch mehr machen können. Auch Firmen möchten ihren Mitarbeitenden ja etwas über sich vermitteln: Geschichten, Werte, Personelles, Logistisches, Administratives... Ich habe die Vision, sogenannte Onboarding Tage in Firmen zu gestalten und zu verbessern. Ich glaube oft sind die ersten Tage in einer neuen Firma für alle Beteiligten etwas stressig, nicht sehr kreativ gestaltet und meist auch etwas improvisiert. Dabei wäre das ein extrem wichtiger Moment für neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.


Wenn eine Firma da etwas investieren würde, um beispielsweise einen halben Tag zu entwickeln, in welchem den Neulingen auf eine abwechslungsreiche überraschende Art das Wichtigste gezeigt wird – wie alles begann, wer in welchen Belangen das Sagen hat, wo welche Räume sich befinden, wer wo sitzt, was die Firma ausmacht – wäre das ein Gewinn für alle. Das ist alles Emotional Storytelling.


Interview: Lisa Gianotti

Foto: Joan Minder



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