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Silja Burch

Ein Portrait einer Frau mit langem, hellbraunem Haar und Brille, die einen dunklen Blazer über einem dunklen Oberteil trägt. Sie trägt roten Lippenstift, und eine kleine Anhänger-Halskette ist sichtbar. Der Hintergrund ist unscharf, zeigt aber abstrakte grüne und hellblaue/wolkenartige Formen.
Leiterin Vermittlung und Anlässe und Mitglied der Geschäftsleitung am Aargauer Kunsthaus sowie Präsidentin von mediamus: Silja Burch © ullmann.photography

Seit Mai 2025 ist Silja Burch Präsidentin von mediamus. Im Interview erzählt sie von ihrem Weg aus dem Kunstmarkt in die Vermittlung, über die Reorganisation am Aargauer Kunsthaus und weshalb es so viel bewirkt, wenn die Vermittlung in der Geschäftsleitung mit am Tisch sitzt.


Liebe Silja, du arbeitest seit 2013 im Aargauer Kunsthaus und leitest seit 2017 die Abteilung Vermittlung & Anlässe am Haus. Wie bist du zu dieser Aufgabe oder zur Kunstvermittlung ganz allgemein gekommen?

Ich habe Kunstwissenschaft in Basel studiert und war danach im Kunstmarkt tätig. Zunächst habe ich bei der Liste in Basel gearbeitet und danach lange den Künstler Ugo Rondinone bei der Galerie Eva Presenhuber betreut. In dieser Zeit habe ich an internationalen Messen gearbeitet, den Handel mit zeitgenössischer Kunst kennengelernt und erfahren, was es bedeutet, einen international tätigen Kunstschaffenden zu betreuen. Das war sehr spannend. Zusätzlich habe ich habe einen Advanced Master in Art Market Studies gemacht. Dann habe ich gemerkt, dass das zwar spannend war, mir aber die Inhalte fehlten. Während des Studiums habe ich immer viel unterrichtet, Erwachsene in «Deutsch als Fremdsprache», aber auch an Aargauer Schulen die Fächer «Deutsch» und «Geschichte». Ich dachte oft, dass ich eigentlich eine im Kunstmarkt verkappte Lehrperson war. Dann hat das Aargauer Kunsthaus eine Fachspezialistin für Vermittlung gesucht und ich dachte: das ist erstens ein ganz tolles Haus und es ist auch irgendwie mein Haus, weil ich aus dem Aargau komme. Ich habe mich dann auf die Stelle beworben. Das war damals tatsächlich noch eine befristete Projektstelle. Das Aargauer Kunsthaus brauchte dringend Unterstützung in der Vermittlung, vor allem wegen der vielen Schulklassen, die über das Programm «Kultur macht Schule» in die Institution kamen. So kam ich als Fachspezialistin für das Programm der Schulen, Kinderangebote und Familien ans Aargauer Kunsthaus. Glücklicherweise wurde auch schnell klar, dass es diese zusätzlichen Ressourcen brauchte. So habe ich nach vier Jahren einen unbefristeten Vertrag erhalten. Ab Frühling 2017 konnte ich dann die Leitung der Vermittlung übernehmen.


Was treibt dich an, in der Vermittlung zu arbeiten?

Für mich bedeutet vermitteln in Beziehung treten, mit den Menschen, mit der Kunst. Um sich über das auszutauschen, was es heisst, Mensch zu sein.


Bist du in einem familiären Umfeld aufgewachsen, in dem du oft Kunstinstitutionen besucht hast, oder bist du eine Person, die durch Vermittlungsangebote Einblicke in die Welt der Museen erhalten hat?

Wir waren eher eine sportliche Familie, aber mein Vater ist Künstler und arbeitete als Lehrperson für Bildnerisches Gestalten. Mein Zugang zur Kunst bestand lange Zeit darin, selbst Kunst zu machen. Während der Kantonsschule habe ich dann gemerkt, dass ich zwar gerne zeichne, aber dass ich den analytischen Zugang fast noch mehr mag. Deshalb habe ich mich für das Studium der Kunstwissenschaft entschieden.

 

Seit 2021 ist im Aargauer Kunsthaus die Leiterin der Vermittlung auch Teil der Geschäftsleitung. Wie hat sich deine Arbeit dadurch verändert?

Verändert hat sich vor allem meine Vorstellung davon, was es heisst, kooperativ zusammenzuarbeiten. Und eigentlich bei allem, was wir machen, zusammen zu denken: bei allen Inhalten, seien es Ausstellungen, Programme, spezifische Formate, digital oder physisch, Veranstaltungen. Immer mit dem Blick: an wen richten wir uns? Wer ist eigentlich der Besucher oder die Besucherin? Wie können wir barrierefreier sein? Wie können wir junge Leute erreichen?


Es ist jetzt, da ich auf gleicher Ebene bin, viel mehr möglich. Ich kann nun in der Geschäftsleitung den vermittelnden Blick einbringen, die Liaison zu den Leuten, die ins Haus kommen, oder zu denen, die eben noch nicht kommen.
Eine Gruppe von etwa zehn Personen steht in einem hellen, weißen Ausstellungsraum. In der Mitte steht ein Tisch, der mit einem weißen Tuch bedeckt ist und darauf mehrere dunkle, unregelmäßige Skulpturen in Form von Kochutensilien oder Geschirr. Eine Frau in der Mitte, die eine Brille trägt und eine helle, gemusterte Bluse anhat, spricht und gestikuliert mit der Hand in Richtung der Objekte auf dem Tisch, während die anderen ihr zuhören. Rechts im Vordergrund liegen weitere skulpturale Objekte auf einem niedrigen Sockel auf dem Boden.
Silja Burch und Mitglieder des NOF4 Kollektivs während dem Aufbau der kollaborativ entstandenen Ausstellung «Dishcomfort»

Wie kam es zu dieser Reorganisation?

Das kam mehrheitlich über den Direktorinnenwechsel. Als Katharina Amman das Haus so antraf, wie sie es eben antraf, war es als Organisationseinheit strukturell noch sehr schwierig organisiert. Es gab Überlastungen in einigen Abteilungen und es war sehr mühsam, über Schnittstellen zusammen zu arbeiten. Bei dieser Reorganisation kamen alle zur Sprache, und alle konnten klar formulieren, wie sie die Lage sehen und welche Verbesserungsvorschläge sie haben.

 

Gab es ein Ziel, das man mit der Reorganisation erreichen wollte?

Ja, man wollte eigentlich die ganze Produktionskette verbessern, so technisch der Begriff auch klingt. Ziel war es, das Haus mit den bestehenden Ressourcen in eine agile, moderne und nicht hierarchische Organisationseinheit zu transformieren. Wir haben auch Werte festgelegt, wie wir als Team zusammenarbeiten wollen. Wir haben eine Strategie und ein Mission Statement entwickelt und uns die Frage gestellt: Wer sind wir? Was ist unsere DNA? Was wollen wir in der Kulturlandschaft des Kantons aber auch schweizweit sein? Das bedeutet auch, zeitgemäss zu sein. Wir haben uns auf unsere Kernbereiche «bewahren, erforschen, auszustellen und vermitteln» zurückbesinnt und dann wurde schnell klar, dass wir die Organisation so bauen müssen, dass die Bereiche gleichwertig wahrgenommen werden. Das war eigentlich das Ziel.


Nach Aussen war es uns wichtig, ein Haus zu sein, bei dem klar ist: wir begegnen euch auf Augenhöhe. Wir sind kein elitärer Elfenbeinturm, der so im Sinne «l’art pour l’art» Ausstellungen macht, die gesellschaftlich drängende Themen oder Bedürfnisse der Menschen ignorieren.

 

Aus meiner Erfahrung sind Kunstmuseen oft hierarchischer und weniger publikumsorientiert organisiert als beispielsweise kulturhistorische- oder naturhistorische Museen. Teilst du diese Wahrnehmung und wenn ja, weshalb denkst du ist das der Fall?

Ich denke eben das ist…ich will dem jetzt nicht «Dünkel» sagen, aber grundsätzlich war halt lange die Vermittlung oder Kunstvermittlung spezifisch «Kunstpädagogik». Ich verstehe vermitteln aus einem ganzheitlichen Blick: alles, was wir tun, ist vermitteln. Da gibt es verschiedene Anspruchsgruppen, die wir damit erreichen. Viele Kunstmuseen behandeln die Vermittlungsabteilungen so, als würden die nur für Schulen, Kinder oder maximal Familien arbeiten, obwohl man da auch oft vergisst, dass Familien auch aus erwachsenen Personen bestehen. Historische, kulturhistorische oder naturhistorische Museen haben früher erkannt, dass es auch interaktive Stationen braucht, den Einbezug der Besuchenden oder eine einladende Szenografie. Sie haben viel früher damit angefangen, die Ausstellungsräume als Vermittlungsorte zu denken. In Kunstmuseen hingegen nehmen die Besuchenden kaum Raum ein und es findet wenig Interaktion mit dem Publikum statt.

 

Zurück zur Reorganisation im Aargauer Kunsthaus: Gab es Vorbilder, an denen ihr euch orientiert habt bei der Veränderung der Organisationsform?

Unsere Partnersektion im Kanton Aargau, das Museum Aargau, hatte ebenfalls eine Reorganisation gemacht, in der die Vermittlungsverantwortliche in die Geschäftsleitung kam, genauso wie beispielsweise das Bernische Historische Museum. Das waren für mich Initialzündungen, und ich habe realisiert, ja das geht schon. Ich habe diesen Anspruch dann schon zu Beginn des Transformationsprozesses formuliert und eingefordert.

 

Kannst du erklären, wie sich dein Portfolio verändert hat durch die Reorganisation?

Ich verantworte unter anderem digitale Vermittlungsprojekte, den Katalog Online, der als Vermittlungstool verstanden wird, aber auch Massnahmen für die Barrierefreiheit, das Freiwilligenprogramm und interdisziplinäre Ausstellungen wie «Blumen für die Kunst» oder kollaborativ organisierte Ausstellungen.

Bei vielen der Programme und Projekte arbeiten wir mit Kooperationspartnern, Beratergremien oder laden junge Menschen ein, mit uns zusammenzuarbeiten. Ich glaube, auch wenn das Portfolio divers ist, ist es diese Konstante der aktiven Zusammenarbeit, die dabei der gemeinsame Nenner ist.

 

Eine Gruppe von etwa 15 Personen, hauptsächlich Frauen, steht in einem großen, hellen Raum mit weisser Wand und grauem Boden. Sie betrachten eine minimalistische Installation an der Wand, die aus vielen vertikal hängenden, grünen Fäden oder Stäben besteht, die von der Decke herabfallen. Mehrere Personen in der Gruppe halten Mobiltelefone hoch, um Fotos zu machen.
Silja Burch führt eine Gruppe durch die Ausstellung «Blumen für die Kunst» am Aargauer Kunsthaus

Gibt es auch Herausforderungen, die durch die Reorganisation hervorgetreten sind? Oder die durch das interdisziplinäre Zusammenarbeiten entstanden sind?

Ich muss wirklich sagen, dass vieles einfacher wurde. Es ist einfacher, wenn ich bereits beim Brainstorming des Gesamtprogramms in der Sitzung mit dabei bin oder dieses neuerdings sogar leite. Dort, wo entschieden wird, welche Ausstellungen wir machen, welche Partnerschaften wir eingehen oder Programme wir durchführen. Da spart man vor allem im Kommunikationsfluss und in der Projektplanung enorme Ressourcen.

 

Wie denkst du, hat sich die Vermittlung am Haus dadurch verändert? Und denkst du, dass es für Besucher:innen spürbar ist, dass die Vermittlung nun in der Geschäftsleitung verortet ist?

Ich hoffe, dass spürbar ist, dass wir bewusst und strategisch ein vielfältiges, abwechslungsreiches und stringentes Programm haben, das viele verschiedenen Menschen erreicht. Früher wurde für jede Ausstellung ein riesiges Rahmenprogramm gebaut, das meiner Meinung nach immer das gleiche Publikum angesprochen hat. Und du weisst, Aarau ist ein kleiner Ort, da kommen die Leute nicht noch von Zürich, Basel und Bern am Abend für eine Veranstaltung nach Aarau – vor allem nicht, wenn jede Woche etwas stattfindet. Irgendein Podiumsgespräch, weisst du etwas sehr «Kunstiges». Ich glaube, über das Interdisziplinäre finden Menschen ins Museum. Durch Kooperationen, die Zugänge schaffen. Das funktioniert auch auf dem kleinen Platz Aarau sehr gut. Wie beispielsweise über Blumen, Musik, Glaube oder Tanz. Wenn man andere Gäste einlädt, oder es möglich macht, dass durch Kooperationen neue Gesichter den Weg ins Museum finden. Wir wenden viel Zeit und Ressourcen für Kooperationen auf. Aber man ist da auch immer zu zweit und es ist meistens für beide Kooperationspartner bereichernd.

 

Und nun zum Schluss: seit Oktober 2024 bist du Vorstandsmitglied bei mediamus und seit Mai Präsidentin des Vorstandes. Welche Schwerpunkte möchtest du während deiner Zeit bei mediamus setzen? Gibt es etwas, das dir besonders am Herzen liegt?

Das worüber wir heute gesprochen haben. Argumente aufzuzeigen, warum die Vermittlung im klassischen Sinne eine der Stützpfeiler der Museen ist und dass sie dementsprechend im Organigramm angesiedelt sein muss. Das ist auch eine Forderung an unsere institutionellen Mitglieder, die sich noch nicht auf diesen Weg begeben haben und wo die Vermittlung noch beispielsweise im Marketing angesiedelt ist. Wir haben im Vorstand mittlerweile mehrere Personen aus Museen, bei denen die Leitung Vermittlung in der Geschäftsleitung ist. Ich bin überzeugt das hilft allen Mitgliedern und Mitarbeitenden in der Bildung und Vermittlung, wenn die, die den Bereich leiten, auch gehört werden und mitreden beziehungsweise mitgestalten, auf oberster Ebene. Das finde ich wichtig und richtig.


Interview: Lisa Gianotti


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