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Caroline Spicker


Leitet seit sieben Jahren die Kunstvermittlung am Museum Rietberg und wurde kürzlich zur neuen Präsidentin von mediamus gewählt : Caroline Spicker


Liebe Caroline, die Museumsbranche hat turbulente Wochen hinter sich. Wie hast du die Zeit während des Corona-Lockdowns erlebt?

Ehrlich gestanden wie eine Achterbahnfahrt, in der von Entschleunigung keine Spur war. Unsere Museumstüren wurden bereits am 14. März geschlossen und ab diesem Zeitpunkt waren wir angehalten, im Homeoffice zu arbeiten. Das Museum Rietberg ist ein städtisches Museum und dadurch waren und sind wir an die städtischen Richtlinien gebunden. Ich fand es sehr beeindruckend, wie schnell in allen Bereichen reagiert wurde und verschiedene Massnahmen sofort umgesetzt werden konnten. In den ersten Wochen hatte ich meine Schwierigkeiten, mich an das neue Arbeitsumfeld, nämlich meine eigenen vier Wände, zu gewöhnen. Nicht weil ich meine Wohnung nicht mag, ganz im Gegenteil, aber ich musste mich erst einmal neu sortieren und die Grenze zwischen Privat-und Berufsleben räumlich definieren. Mein Arbeitszimmer ist nun perfekt ausgestattet und in ein super Homeoffice umgestaltet.

Und wie hast du persönlich die veränderte Art und Weise zu kommunizieren wahrgenommen?

In den Anfängen hat mich vor allem die grosse Unsicherheit in allen Bereichen sehr beschäftigt und die vielen Fragen, die einfach nicht beantwortet werden konnten. Mit dem neu gefundenen Rhythmus und einem neu definierten Alltag, sind aber verschiedene Arbeitsprozesse problemlos weitergelaufen und ich habe andere Kommunikationswege schätzen gelernt. Auch wenn die Arbeit am Bildschirm eine ganz neue Dimension gewonnen


"In den ersten Wochen des Corona-Lockdowns musste ich erst einmal die Grenze zwischen Privat- und Berufsleben räumlich definieren."

hat, ist mir die physische und reale Begegnung deutlich lieber. Während der gesamten Zeit habe ich trotzdem versucht, den Kontakt zu allen aufrecht zu halten, um in einem Austausch zu bleiben. Dieses virtuelle Miteinander schien mir elementar zu sein, da die persönlichen Umstände bei jedem Einzelnen sehr unterschiedlich waren. Ich war wirklich froh, auf so viel Offenheit, Flexibilität, Vertrauen und Teamgeist zu stossen und bin es immer noch. Besonders bewegt hat mich persönlich die Grenzschliessungen zu den Nachbarländern. Als freiheitsliebende und familienverbundene Person hinterliess diese physische Barriere kein schönes Gefühl und erinnerte mich sehr an die Teilung Deutschlands damals. Umso glücklicher war ich, als ich meine Eltern wieder in die Arme schliessen konnte.


Blieb während des Corona-Lockdowns weitgehend unbenutzt: Einblick in Carolines Büro.

In vielen Museen hat Corona digitalen Vermittlungsformaten einen Schub gegeben. Wie war das bei euch? Habt ihr für die Corona-Zeit Aktionen und Formate entwickelt, die ihr nun in das reguläre Vermittlungsangebot übernehmen wollt?

Das Thema der Digitalisierung beschäftigt uns sehr intensiv. Es sind bereits einige digitale Projekte realisiert worden und der Bereich entwickelt sich weiter. «Digitales» findet ja sozusagen an sich kein Ende. Unsere neue Direktorin, Annette Bhagwati, möchte den digitalen Bereich am Museum Rietberg ausbauen und so beispielsweise unsere Sammlung sowie die Forschung und die Ausstellungsprojekte einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen." Schwerpunkte für die digitale Vermittlung von interessanten Themen wurden in den letzten Wochen sicher auch über den Marketingbereich gesetzt. Hier wurden vor allem


"Ich finde es wichtig, sorgfältig abzuwägen, welche digitalen Angebote wirklich sinnvoll sind, anstatt digitales Fastfood zu produzieren."

die medialen Kommunikationskanäle genutzt und über Newsletter und Website informiert. Es gab in den letzten Wochen innerhalb unseres Kunstvermittlungsteams einige spannende Ideensammlungen für viele verschiedene Projekte, Angebote und Initiativen. Wir haben uns beispielsweise entschieden, eine ganze Ausstellung, die im Herbst eröffnet werden soll, über den digitalen Weg zu vermitteln. Das ist ein grosses Vorhaben und ich bin gespannt, welche Elemente wir in kurzer Zeit realisieren können. Denn so viel ist klar: Digitales ist immer mit einem grossen Ressourcenaufwand verbunden und sollte nachhaltig gedacht und angelegt sein. Das heisst, wir müssen uns fragen, welche Ziele mit dem digitalen Bereich und einzelnen Projekten verfolgt werden und durch welche Parameter eine Teilhabe gewährleistet wird. Ich finde es wichtig, hier sorgfältig abzuwägen, welche digitalen Angebote wirklich sinnvoll sind, anstatt digitales Fastfood zu produzieren.


"Es war deutlich zu sehen, wie gross der Wunsch war, während des Corona-Lockdowns mit dem Publikum in Kontakt zu bleiben." Zeichnungen aus einem Schulklassen-Workshop.

Vermittlung lebt sehr stark vom Dialog, vom Austausch mit den Besuchenden. Wie seid ihr dieser Herausforderung während des Lockdowns begegnet?

Vermittlung lebt in meiner Sicht ausschliesslich durch den Dialog, den Austausch mit meinem Gegenüber und den vielseitigen Begegnungen. Das ist ja auch der grosse Unterschied zum digitalen Raum, hier funktioniert vor allem das Senderprinzip hervorragend. Der Empfänger, oder sagen wir die Besucherorientierung, geht hier in meinen Augen oft verloren. Das heisst nicht, dass der digitale Raum keine Begegnungen ermöglicht, aber das passiert auf einer ganz anderen Ebene. Mir persönlich würden User-Klickzahlen nicht ausreichen, um zu erfahren, ob ich jemanden mit meinen Fragen, Inhalten, Themen oder meiner Vermittlungsart erreichen konnte. Da fehlt eine entscheidende Komponente, nämlich die menschliche Reaktion: Mimik, Körpersprache, Sinnlichkeit und so weiter. Das könnte ich auf dem digitalen Weg vielleicht durch einen Live-Stream abholen, das habe ich aber noch nicht probiert. Während der Schliesszeit hatten wir vor allem über den digitalen Weg Kontakt zu unseren Besuchenden. Dieser Kommunikationskanal ist in so einer aussergewöhnlichen


"Mir persönlich würden User-Klickzahlen nicht ausreichen, um zu erfahren, ob ich jemanden mit meinen Fragen, Inhalten, Themen oder meiner Vermittlungsart erreichen konnte."

Situation auch nachvollziehbar, denn keiner von uns hatte ja mit dem Ausmass gerechnet und einen fertigen Fahrplan in der Schublade. Ich fand es sehr beeindruckend, welche Kreativität plötzlich in den verschiedenen Museen freigesetzt wurde und welch vielseitige Angebote dem Publikum zur Verfügung gestellt werden konnten. Ob das wirklich alles genutzt wurde, ist eine andere Frage. Aber es war deutlich zu sehen, wie gross der Wunsch war, mit dem Publikum in Kontakt zu bleiben.


Während Schulklassen-Workshops definitiv erst nach den Sommerferien wieder stattfinden, wird für andere Freizeitangebote wie "Macht Mit! Kunst für die Kleinsten" derzeit geprüft, in welchem Rahmen und ab wann diese wieder angeboten werden könnten: Einblick in das Vermittlungsatelier.


In den letzten Wochen wurden einige Stimmen laut, die darauf hingewiesen haben, dass sich mittels digitaler Formate zwar Hintergründe, historische Zusammenhänge oder Biographisches vermitteln lassen, aber dass eine essentielle Dimension von Kunst, nämlich die Aura, die Materialität des Originals, dabei verloren gehe. Wie hast du das erfahren? Hat sich für dich durch die Corona-Zeit auch dein Blick auf den Kern der Museen oder der Kunstvermittlung im Allgemeinen verändert?

Nein, mein Blick hat sich nicht verändert, sondern vielmehr geschärft auf das Wesentliche. Ich gehe davon aus, dass wir irgendwann einmal von einer Zeit «vor Corona» und einer Zeit «nach Corona» sprechen werden. Für die Vermittlung habe ich mich gefragt, welche Parameter sich für das Berufsfeld verändern werden. Aber es wäre jetzt verfrüht, darüber zu spekulieren, denn im Moment befinden wir uns ja noch mittendrin und beschäftigen uns trotz Lockerungen mit Sicherheitsmassnahmen und Schutzkonzepten. Keiner weiss ja, in welche Richtungen wir uns durch die Pandemie entwickeln werden und wie sich dadurch zukünftig Museen als öffentliche Institutionen verändern.

Stichwort Schutzkonzept: Welche Konsequenzen haben die Lockerungsmassnahmen für eure Vermittlungsaktivitäten? Habt ihr die Vermittlung nun auch im analogen Raum wieder aufgenommen?

Wie vermutlich auch in anderen Häusern geschehen, haben wir die Struktur der Vermittlungsangebote, ob öffentlich oder privat, den räumlichen Bedingungen angepasst. Wir haben beispielsweise Ende Mai wieder mit öffentlichen Führungen für Kleingruppen begonnen mit maximal vier Teilnehmenden. Diese Zahl werden wir hoffentlich im Verlauf der nächsten Wochen erhöhen können, selbstverständlich unter Berücksichtigung des Schutzkonzeptes. Das ist wiederum auch sehr stark von den städtischen Richtlinien


"Mich begeistern Kunstwerke und ihre Inhalte, vor allem aber, was sie auslösen können."

abhängig, an denen wir uns orientieren. Für Privatanfragen prüfen wir in einem internen Gremium kontinuierlich, was realisierbar ist und welche Angebote wir durchführen können. Schulklassen-Workshops finden erst wieder nach den Sommerferien statt, also ab Mitte August. Freizeitangebote wie zum Beispiel unsere «Offene Werkstatt» am Sonntag oder «Mach Mit! Kunst für die Kleinsten» werden aktuell noch geprüft, in welchem Rahmen wir diese wieder anbieten können und vor allem ab wann. Wichtig scheint mir eine grosse Flexibilität in der Planung, denn es gibt einfach keine Pauschallösung. Ich freue mich aber sehr, wenn wir unsere Besuchende wieder unter normalen Umständen begrüssen dürfen.

"Hier halte ich mich gerne auf, auch mit Schulklassen und Gruppen." Einblick in das Schaudepot des Museums Rietberg.


Nun zu dir: Seit rund sieben Jahren leitest du die Kunstvermittlung am Museum Rietberg. Wie kamst du zu dieser Aufgabe?

Bevor ich nach Zürich kam, habe ich in Bremen an der Weserburg, Museum für moderne Kunst, in der Kunstvermittlung gearbeitet. Die Stelle war damals befristet und ich war ganz klassisch auf Jobsuche, mit allen Höhen und Tiefen, die man in solchen Orientierungsphasen durchlebt. Die Stellenausschreibung des Museums Rietberg habe ich in ausgedruckter Form tagelang mit mir in der Jackentasche herumgetragen und war mir überhaupt nicht sicher, ob ich mich bewerben soll. Eine sehr enge Freundin aus Bern, die selbst in Biel an einem Museum arbeitet, hatte mir damals zeitgleich die Stellenausschreibung per Mail weitergeleitet und mich sehr ermutigt, diesen Schritt zu wagen. Für mich war die Stelle auf ganz vielen Ebenen ein totaler Neuanfang und ich bin sehr dankbar, dass mir so viele Türen geöffnet wurden.

"Unsere Ausstellungshäuser, die alten Villen, haben einen ganz besonderen Charme. Da ist es gar nicht schwer, in alte Zeiten oder andere Themen einzutauchen." Blick auf die Villa Wesendonck aus dem 19. Jahrhundert, in der Richard Wagner die Wesendonck-Lieder komponierte.


Du hast dich bereits während deines Studiums auf die ausserschulische Kunstpädagogik spezialisiert. Gab es dafür einen Auslöser? Oder war für dich immer klar, dass du in der Kunstvermittlung in einem Museum tätig sein möchtest?

Oh nein, das war mir überhaupt nicht klar. Ich wollte eigentlich mal Bühnenbildnerin oder Theatermalerin werden. Inzwischen bin ich sehr froh, nicht diesen Weg gewählt zu haben, auch wenn die Faszination für die Theaterwelt geblieben ist. Prägend war für mich ein Erlebnis während der Schulzeit. Wir haben im Religionsunterricht das Linden Museum in Stuttgart besucht und uns mit dem Buddhismus auseinandergesetzt. Die Museumspädagogin - die frühere Bezeichnung für Kunstvermittler*innen - führte uns auf


"Prägend war für mich ein Erlebnis während der Schulzeit."

ganz kreative Art und Weise durch die Sammlung und ich war einfach fasziniert, wie wir dank ihrer wenigen Fragen und Denkanstösse die Kunstwerke mit anderen Augen betrachten konnten. Wir sollten uns damals ein Werk aussuchen und Symbole abzeichnen, daran kann ich mich noch sehr gut erinnern.


Und dieses Erlebnis hat dich dann dazu veranlasst, den Weg in die Museumsvermittlung einzuschlagen?

Es war sicher ein Erlebnis von vielen, die mich dazu bewegt haben, in die Richtung weiterzugehen. Im Bachelorstudium zur Kulturgestaltung habe ich ein Fach belegt, dass sich auch Museumspädagogik nannte. Unser Dozent war damals ein Künstler aus dem Bildhauerbereich. Den projektorientierten Charakter und die kreativen Facetten fand ich damals spannend. Ich habe während des Studiums vielseitige praktische Erfahrungen in Ausstellungshäusern und Soziokulturellen Institutionen gesammelt. In all meinen Tätigkeiten ist es mir immer ein Anliegen gewesen, heute noch umso mehr, interdisziplinär in einem Team zu arbeiten und kreative Prozesse anzuregen. Ich mag es, neue Projekte anzustossen und gewohnte Rahmenmuster zu verlassen. Zentral ist für mich dabei unter anderem, fundiert zu recherchieren, sorgfältige Strukturen aufzubauen und gemeinsam innovative Lösungen zu finden. Kunst, andere Kulturen, spannende Geschichten und die Begegnung mit dem Menschen stehen dabei für mich im Zentrum. Vor allem bin ich aber neugierig und lerne gerne Neues kennen. All diese «Motoren» sehe ich in meiner Arbeit am Museum ideal verknüpft.


"Ich war fasziniert, wie wir dank ihrer wenigen Fragen und Denkanstösse die Kunstwerke mit anderen Augen betrachten konnten." Caroline Spicker über ihre erste Erfahrung mit Kunstvermittlung.

Worin liegt für dich denn die Faszination für die Kunstvermittlung?

Was mich an der Kunstvermittlung besonders fasziniert, sind die vielseitigen Begegnungen auf ganz unterschiedlichen Ebenen und der unmittelbare Austausch mit den Besuchenden über Kunst und Kultur. Mich begeistern Kunstwerke und ihre Inhalte, aber vor allem, was sie auslösen können. Vermittlungssituationen sind ja immer anders und kleine Entdeckungsreisen. Kein Angebot gleicht dem anderen, da keine Gruppe ist wie die andere. Diese Vielfalt schätze ich sehr und motiviert mich immer wieder aufs Neue.

"Es ist bei uns am Haus inzwischen gar nicht mehr vorstellbar, dass Ausstellungsprojekte völlig an der Kunstvermittlung vorbei entwickelt werden und diese erst im letzten Schritt eingebunden ist. Die Kunstvermittlung ist von Anfang an involviert und bereits in den ersten Überlegungen mit an Bord."

Das Museum Rietberg bietet ein breites Vermittlungsangebot mit Führungen, Vorträgen, Workshops, das sich sowohl an Schulen und das allgemeine Publikum, als auch an Fachleute und Studierende richtet. Wie ist die Vermittlungsabteilung bei euch organisiert?

Aktuell besteht das Team aus neunzehn Personen, die in Festanstellung, freischaffend oder über Drittmittel finanziert angestellt sind. In unseren Angeboten versuchen wir ein diverses Publikum zu erreichen, es teilhaben zu lassen und ein auf die unterschiedlichen Zielgruppen sorgfältig abestimmtes Programm zu entwickeln. Darin orientieren wir uns stark an den Ausstellungsinhalten und unseren Besuchenden. Hierfür ist vor allem die enge Zusammenarbeit zwischen Kuratorium und der Kunstvermittlung ein wesentlicher Baustein. So sind wir beispielsweise im Organigramm mit dem Bereich der Kunstvermittlung im Kuratorium verortet. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die inhaltliche Auseinandersetzung und den kreativen Prozess.

Über diese enge Zusammenarbeit von Kunstvermittlung und Kuratorium wirst du auch Im Rahmen des mediamus-Workshops “Auf der Suche nach DEM Zaubertrank” sprechen, der am 24. August 2020 stattfindet. Kannst du uns einen Vorgeschmack geben? Wie erlebst du ganz grundsätzlich diese Zusammenarbeit beim Ausstellungsmachen?

Die Zusammenarbeit zwischen Kuratorium und Kunstvermittlung hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Auch die Bedürfnisse und Erwartungen des heutigen Publikums nehmen Einfluss auf das Ausstellungsmachen. Es ist bei uns am Haus inzwischen gar nicht mehr vorstellbar, dass Ausstellungsprojekte völlig an der Kunstvermittlung vorbei entwickelt werden und diese erst im letzten Schritt eingebunden ist. Die Kunstvermittlung ist von Anfang an involviert und bereits in den ersten Überlegungen mit an Bord. Die Besucherorientierung steht dabei im Zentrum. Da jedes Ausstellungsprojekt anders ist und die Themen variieren, sind auch die Aufgaben und Herausforderungen an die Vermittlung immer wieder anders und neu. Das heisst, es gibt selten ein Schema F, nachdem wir vorgehen, sondern wir suchen immer nach sinnvollen Lösungen, die neue Perspektiven zeigen. Diese Prozesse der Auseinandersetzung und des Miteinanders fordern aber ganz klar auch mehr Zeit und Offenheit von allen Beteiligten. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit und ein innovatives Ergebnis lohnt sich aber dieser Aufwand.

Das Museum Rietberg ist das einzige Museum für aussereuropäische Kunst in der Schweiz und beherbergt Werke aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien: Einblick in die Sammlungsräume.


Die Besucherorientierung zeigt sich auch in Fragen der Inklusion und Diversität, mit denen du dich in einer Funktion als Leiterin der Kunstvermittlung am Museum Rietberg momentan ebenfalls stark beschäftigst. Welche Rolle kommt dabei der Vermittlung zu?

Für mich ist es ein zentrales Anliegen, in meiner Arbeit ein möglichst diverses Publikum anzusprechen und eine Haltung zu pflegen, die alle Menschen bei uns willkommen heisst. Barrieren jeder Art sind für mich nicht akzeptabel, vor allem wenn diese aus mangelndem Interesse oder fehlendem Bewusstsein entstehen. Wir tragen seit Anfang 2019 das Label «Kultur Inklusiv» und folgen auch den städtischen Richtlinien, ein barrierefreies Haus zu sein. Entsprechend entwickeln wir verschiedene Angebote für und mit Menschen mit Beeinträchtigung, die einen vielseitigen Zugang ermöglichen. Bis wir an diesem Ziel angekommen sind, ist es noch ein langer Prozess. Ich finde es aber wichtig, in kleinen Schritten hier mit konkreten Beispielen vorwärts zu gehen. Über eine Spende konnten wir


"Dank unseres Angebots für Demenz Betroffene scheint hier jeden Freitagnachmittag die Zeit ein wenig still zu stehen."

beispielsweise ein Angebot für Demenz Betroffene entwickeln, das nun seit 2017 jeden Freitag in Kooperation mit dem Verein Treffpunkt Kultur und Demenz durchgeführt wird. Hier finden regelmässig unglaublich berührende Vermittlungsmomente statt, sei es beim Mittagessen, in der Ausstellung, beim Spaziergang durch den Park oder während der praktischen Arbeit im Atelier. Die Zeit scheint hier jeden Freitagnachmittag ein wenig still zu stehen und passt sich vor allem an das Tempo der Teilnehmenden an und nicht umgekehrt. Kulturelle Teilhabe wird hier für mich in besonderer Weise erlebbar.

Und zum Schluss: Vor rund einem Monat hast du das Präsidium von mediamus übernommen. Welche Schwerpunkte möchtest du während deiner Amtszeit setzen? Gibt es etwas, das dir besonders am Herzen liegt?

Übergeordnete Anliegen sind für mich, das Netzwerk der Kulturvermittlung innerhalb der Schweiz zu stärken, das Selbstverständnis des Berufsbildes zu fördern und das Bestehende weiter zu entwickeln. Dazu zähle ich die Nachwuchsförderung, die Netzwerkarbeit auch im bildungspolitischen Kontext, die Lohnfragen, die Genderthematik, aber auch die Stärkung der digitalen und inklusiven Vermittlungswege. Zudem ist mir wichtig, die mediamus-Mitglieder in unsere Veranstaltungen direkt einzubinden und ihre Bedürfnisse abzuholen. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Ausbau der neuen Website als eine Informationsplattform für Kulturvermittlung und ganz grundsätzlich die Profilschärfung von mediamus. mediamus hat sich in den letzten Jahren ja verändert und die positiven Entwicklungen möchte ich gerne weiterverfolgen. Die Zusammenarbeit im Vorstand schätze ich sehr, denn hier verknüpfen sich verschiedene Expertisen, wertvolle Kompetenzen und es erlaubt einen «über-den-Tellerrand-Blick». Dieser Perspektivenwechsel ist für mich zentral, um für die Vermittlungsarbeit in Bewegung und im Austausch zu bleiben.




Das Interview wurde schriftlich geführt.

Interview: Silja Widmer, © Fotos: Caroline Spicker

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