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Pia Giorgetti


Leitet seit dreizehn Jahren die Kulturvermittlung am Museo di storia naturale in Lugano: Pia Giorgetti


Liebe Pia, vor dem Aufbau der Kulturvermittlung im Museo di storia naturale warst du über mehrere Jahre als Konservatorin für Botanik tätig. Was hat dich zum Wechsel in die Vermittlung bewogen?

Ich habe 1997 angefangen und arbeitete zunächst während rund zehn Jahren als Konservatorin für Botanik. Da ich aber auch eine Weiterbildung im Bereich der Umweltbildung absolviert hatte, führte ich bereits damals ab und zu Vermittlungsaktivitäten durch, obwohl das Museum zu diesem Zeitpunkt noch über keine Vermittlungsabteilung verfügte. Die Personen, die das Museum besuchten, selbst die Schulklassen, hatten damals keine Möglichkeiten, Vermittlungsangebote in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig war das Museum langsam in die Jahre gekommen, die Vitrinen waren immer die gleichen, kurz gesagt: das Museum leerte sich immer mehr und wir hatten keine Vermittlungsangebote, um mit dem Publikum in Kontakt zu treten und dieses wieder ins Museum zu holen. Ich fragte deshalb bei der Museumsdirektion an, ob ich für das Museum einen Vermittlungsbereich aufbauen dürfe. Mein Antrag wurde jedoch abgelehnt, mit der Begründung, dass es mit zu viel Aufwand verbunden sei, dass man keinen Platz dafür habe und dass man dafür viel offener sein müsste gegenüber dem Publikum. Die Direktion, meine Kollegen hatten also im Grunde genommen Angst vor dem, was kommen würde.

Und wie hast du auf diese Zurückweisung reagiert?

Ich war erschöpft. Ich entschloss mich, drei Monate unbezahlten Urlaub zu nehmen und nutzte diese Zeit, um ein Vermittlungsangebot aufzubauen – unbezahlt. Ich habe drei Schulklassen gefunden, die bereit waren, mit uns zusammenzuarbeiten. Während eines ganzen Jahres haben wir uns der Frage angenommen, wie die Arbeit des Museums hinter den Kulissen aussieht. Was macht jemand, der in einem Museum arbeitet? Wem nützt diese Arbeit? Wofür tut man diese Arbeit? Ich habe die Kinder dieser drei Klassen angefragt, den Eingangsbereich des Museums zu gestalten mit ihren Eindrücken von der Museumsarbeit, die sie im Laufe des Jahres gewonnen haben. Das war die erste Vermittlungsarbeit im Museum, Ende 2006. Und ab 2007 erhielt ich schliesslich die Möglichkeit, die Vermittlung im Museum aufzubauen, zunächst mit Angeboten für Kinder und Jugendliche, die jeweils am Samstag stattfanden. 2009 haben wir schliesslich angefangen, mit Schulklassen zu arbeiten. Und 2011 erweiterten wir unser Vermittlungsangebot dann auf Erwachsenengruppen und ergänzten es – im Sinne eines breiter angelegten Vermittlungsverständnisses – mit Veranstaltungen. Und seit diesem Zeitpunkt bin ich als Verantwortliche Bildung und Vermittlung angestellt. Zuvor habe ich Konservierung und Vermittlung nebeneinander gemacht, was schwierig war.


Ein Sammelsurium faszinierender Objekte: Einblick in das Materialdepot der Vermittlungsabteilung des Museo di storia naturale.

Wie ist die Vermittlungsabteilung heute organisiert?

Heute haben wir ein breites Publikum und grossen Erfolg mit unserem Vermittlungsangebot. Ich bin als einzige in der Vermittlungsabteilung festangestellt und habe ein Pensum von 80%. Und in dieser Position bin ich für alles verantwortlich: von der Entgegennahme der Anmeldungen, über die Erarbeitung von didaktischen Materialien bis hin zur Konzeption von Vermittlungsangeboten. Wir haben freischaffende externe Mitarbeitende, die Vermittlungsaktivitäten übernehmen. Den Grossteil aber übernehme ich selbst. Meine Weiterbildung im Bereich der Umweltbildung hilft mir dabei sehr, denn auch in


"Die Konservatoren haben häufig den Wunsch, sehr themenspezifische Ausstellungen zu machen, weil sie stark in ihre jeweiligen Themengebiete vertieft sind. Aber das sind nicht immer jene Ausstellungen, die auch den Bedürfnissen, Interessen und Fragen des Publikums entsprechen."

einem naturhistorischen Museum geht es um ein Verständnis der Lebenswelt und eine Sensibilisierung. Es ist dasselbe Ziel, aber in einer anderen Umgebung, in einem anderen Umfeld, mit anderen Instrumenten.

Mit dem neuen Themenschwerpunkt "Strategien der Zusammenarbeit: Publikumsorientiertes Ausstellungsmachen" beschäftigt sich mediamus mit der Frage, wie Vermittlung und Kuratorium erfolgreich zusammenarbeiten können. Wie erlebst du diese Zusammenarbeit im Museo di storia naturale? Ist es hilfreich, dass du zuvor selbst als Konservatorin angestellt warst?

Dadurch, dass wir ein kleines Museum sind und ich früher als Konservatorin tätig war, sind die Grenzen zwischen den Abteilungen fliessend. Wenn jemand ausfällt oder eine Frage auftaucht, die ich beantworten kann oder bei der ich mein Netzwerk zur Verfügung stellen kann, helfe ich gerne aus und nehme an den Diskussionen teil. Trotzdem gelingt es auch uns nicht immer, bei der Planung einer Ausstellung erfolgreich zusammenzuarbeiten. So haben die Konservatoren zum Beispiel den Wunsch, sehr themenspezifische Ausstellungen zu machen, weil sie stark in ihre jeweiligen Themengebiete vertieft sind. Aber das sind nicht immer jene Ausstellungen, die auch den Bedürfnissen, Interessen und Fragen des Publikums entsprechen. Und da fehlt noch etwas die Zusammenarbeit, das Einbeziehen der Vermittlungsperspektive. Bei der Realisation der Ausstellung muss ich dann ein Produkt zugänglich machen, das für das breite Publikum nicht von speziellem Interesse ist, vielleicht für ein kleines Spezialistenpublikum, aber nicht für das grosse Publikum. Das ist eine Herausforderung und manchmal etwas ermüdend. Man hat eine Ausstellung, die sechs Monate lang im Museum ist und es gelingt mir nicht, eine einzige Klasse einzuladen.


"Das Museum wird zu einer Lupe, einem Vergrösserungsglas, einem Laboratorium." Auswahl von Sammlungsobjekten, die für Vermittlungsaktivitäten verwendet und angefasst werden dürfen.


Welche Schwerpunkte setzt du in der Vermittlungsarbeit und an welche Publikumsgruppen richtet sich diese?

Ein wichtiges Ziel für uns ist die Zusammenarbeit mit den Schulen. Die Schulen waren das vorher nicht gewohnt, stattdessen konsumierten sie einfach das Ausstellungsprodukt. Von Beginn an habe ich deshalb versucht, mich in bereits existierende Projekte von Tessiner Schulen einzuklinken. Sehr interessant war zum Beispiel ein Projekt zum Spracherwerb, in welchem vier- bis sechsjährige Schüler*innen gemeinsam mit ihren Lehrpersonen anspruchsvolle Literatur von Autoren lasen, die wir gemeinhin der Erwachsenenliteratur zuschreiben würden. Das Ziel des Projektes war, zu zeigen, dass es im Grunde genommen keine Kinderbücher oder Erwachsenenbücher gibt, sondern lediglich gut geschriebene


"Kulturvermittlung bietet für mich die Möglichkeit, meine persönliche Begeisterung für die Natur und Umwelt auszuleben und umgekehrt einen Raum zu bieten, um diese Begeisterung auch bei den Besuchenden zu wecken. Diese Wechselseitigkeit ist sehr wichtig für mich."

Bücher - wie zum Beispiel ,Der kleine Prinz'. Die Kinder wählten sich einzelne Wörter aus, die bei ihnen viel auslösten, wie die Wüste oder das Wasser, und zu diesen Wörtern erzählten sie dann ihre eigenen Geschichten. Ich habe mich dort eingebracht, wo es um Texte ging, die von der Natur sprechen, indem ich ihnen für ihre Geschichten Objekte des Museums zur Verfügung stellte. Das Museum wurde dadurch zu einer Lupe, einem Vergrösserungsglas, einem Laboratorium. Die Kinder kamen nicht einfach ins Museum, um etwas zu sehen oder zu lernen, sondern brachten ihre eigenen Erfahrungen und Geschichten mit und mit diesen gestaltete man gemeinsam ein Projekt. Und das ist meiner Meinung nach eine Stärke des Museums: Nicht um jeden Preis etwas zeigen und vermitteln zu wollen, sondern die Bedürfnisse anzuhören. Die Schule hatte hier ein Bedürfnis und wir konnten dieses berücksichtigen. All die Geschichten sind eine kulturelle Bereicherung und durch das Projekt konnten wir diesen einen Raum geben.


Und das ist es, was dich an der Kulturvermittlung fasziniert?

Ja. Es ist die Möglichkeit, meine persönliche Begeisterung für die Natur und Umwelt auszuleben und umgekehrt einen Raum zu bieten, um diese Begeisterung auch bei den Besuchenden zu wecken. Diese Wechselseitigkeit ist sehr wichtig für mich.


Worin unterscheidet sich deiner Meinung nach die Kulturvermittlung in einem Naturhistorischen Museum von jener anderer Museumssparten wie beispielsweise Kunstmuseen?

Die Methoden der Kommunikation und Vermittlung sind wohl mehr oder weniger die gleichen. Aber wir haben natürlich eine Verbindung zur Umweltbildung, die draussen stattfindet, die weniger abstrakt ist. Es gibt heute Herausforderungen, die real und sehr präsent sind in den Medien und auch sichtbar im Alltag der Menschen, wenn sie spazieren gehen und sehen, wie sich die Umgebung, die Natur verändert. Was man im Museum sieht, findet man draussen wieder. Das macht es vielleicht einfacher. Und was dazu kommt: Heute kann ich mir an meinem Computer anhand unglaublicher Videos alle Tiere der Welt anschauen, aber im Museum kann man sich ihnen wirklich annähern, sie genau anschauen, sich vorstellen, wie sie sich bewegen und man weiss: sie existieren draussen wirklich.

Spürst du im Austausch mit den Schulklassen eigentlich einen Einfluss der "Klimajugend", eine stärkere Sensibilisierung für die Umwelt?

Ja, es gibt ein Bewusstsein dafür, aber nicht nur bei den Jugendlichen, die ins Gymnasium gehen, sondern auch bei den ganz Kleinen. Sie bekommen in den Medien ja auch einiges mit: die Umweltverschmutzung, der Klimawandel. In unseren Vermittlungsaktivitäten gibt es zahlreiche Anknüpfungspunkte, über die wir sprechen können: der Wald, der sich verändert,


"Ich denke, dass das Museum einen Beitrag zur Sensibilisierung leisten kann. Es ist gut, für das Klima zu protestieren, aber wenn du einen Schrank voll mit farbigen T-Shirts besitzt, musst du wissen, dass jedes T-Shirt 2000 Liter Wasser verbraucht und eine 20'000 Kilometer lange Reise hinter sich hat."

die Tiere aus den Bergen, die keinen Platz mehr haben. Aber ich glaube, dass es immer einen Zeitraum braucht vom Punkt, an dem einem etwas bewusst wird bis zum Punkt, an dem man bereit ist, sein eigenes Verhalten entsprechend zu ändern. Heute weiss jeder, dass man die Abfälle trennt, recycelt. Als ich ein Kind war, sprach noch niemand davon. Zu Beginn wurden die Leute sogar wütend, wenn sie es tun sollten. Niemand machte es. Heute ist es völlig normal. Es wird Zeit brauchen, bis wir bereit sein werden, weniger zu konsumieren und ich weiss nicht, wie lange dies dauern wird.


Welchen Beitrag kann hier ein naturhistorisches Museum leisten?

Ich denke, dass das Museum einen Beitrag zur Sensibilisierung leisten kann, weil es konkrete Beispiele braucht. Es ist gut, für das Klima zu protestieren, aber wenn du einen Schrank voll mit farbigen T-Shirts besitzt, musst du wissen, dass jedes T-Shirt 2000 Liter Wasser verbraucht und 20'000 Kilometer Reise hinter sich hat. Man kann beispielsweise über Pflanzen wie Baumwolle oder Flachs sprechen, die für die Textilherstellung verwendet werden und sich ansehen, wie lange es dauert, um sie anzubauen. Ich denke, hier ist es wichtig, dass die Museen ihr Wissen nach aussen tragen. Das heisst: Klar kommunizieren, Antworten geben, Aktivitäten anbieten, aufzeigen, berühren, zusammenarbeiten. Das Wissen und Bewusstsein vertiefen, ohne dabei moralisierend oder urteilend sein. Es geht darum, die Verbindung zwischen den Menschen und der Natur wiederherzustellen.

Blick auf das Waldhaus unterhalb des Monte Brè, das für Vermittlungsaktivitäten des Museums genutzt wird.



Kannst du ein konkretes Beispiel aus deinem Vermittlungsalltag nennen?

Ein Beispiel ist ein "Generationen im Museum"-Angebot, das wir während des Corona-Lockdowns im Frühling realisiert haben. Während des Lockdowns konnten die Kinder ihre Grosseltern nicht mehr sehen und ich gab ihnen deshalb die Aufgabe, ihre Grosseltern über ihre Beziehung zur Natur zu befragen – und zwar in Form von Briefen. Welches Verhältnis hatten sie zu Tieren? Wie erlebten sie die Natur? Die Kinder erhielten wunderschöne, berührende Briefe, in denen sehr viel Leidenschaft und Humor steckte, die voll von Erinnerungen waren und von einem Leben berichteten, das sie sich überhaupt nicht vorstellen konnten. Die Grosseltern konnten ihre Enkel nicht sehen, nicht umarmen, aber sie


"Die Kinder erhielten von ihren Grosseltern wunderschöne, berührende Briefe, in denen sehr viel Leidenschaft und Humor steckte, die voll von Erinnerungen waren und von einem Leben berichteten, das sie sich überhaupt nicht vorstellen konnten."

konnten von ihrer Vergangenheit erzählen. Etwas, das sie in normalen Zeiten vielleicht nicht getan hätten, aber nun hatten sie eine Gelegenheit. Und es tat auch den Grosseltern gut, denn es gab ihnen in einer schwierigen Zeit das Gefühl, nützlich zu sein.


Das Naturhistorische Museum befindet sich im Zentrum der Stadt Lugano. Wie gelingt es, die Ausstellungen mit der Aussenwelt zu verbinden? Finden die Workshops auch im Freien statt?

Ja, wir haben Projekte, die draussen stattfinden. Zudem haben wir seit etwas mehr als einem Jahr ein kleines Waldhaus unterhalb des Monte Brè, das wir für die Vermittlungsaktivitäten des Museums nutzen können. Ich denke, das ist ein grosser Vorteil. Das Haus befindet sich mitten im Wald und man kann dadurch beispielsweise auch die Jahreszeiten sehr gut nachvollziehen. Und ich kann meinen Arbeitskollegen auch viel Wissen über das Gebiet weitergeben, denn mit den Kindern sammelt man alles, schaut sich die Umgebung sehr genau an. Wir sammeln Daten der Biodiversität. Und ich sage den Kindern auch, dass ihre gesammelten Objekte und ihre Beobachtungen sehr wichtig sind, weil es ein Schweizer


"Es geht darum, Platz für die Neugierde zu lassen. Nicht primär Wissen zu vermitteln, sondern die Freude am selbständigen Entdecken zu entfachen."

Netzwerk gibt, wo all diese Daten gesammelt werden. Ihre Beobachtungen haben also einen Wert, eine Funktion und vielleicht werden dadurch die einen oder anderen dazu ermutigt, später selbst in der Forschung tätig zu sein.

Das Naturhistorische Museum ist im Gebäude des Gymnasiums von Lugano untergebracht. Konntet ihr diese enge Anbindung auch schon für Vermittlungsprojekte nutzen?

Ja, vor einigen Jahren haben wir zum Beispiel auf dem Schulareal gemeinsam mit den Gymnasiasten einen Gemüsegarten erstellt, nachdem sie sich zuvor den Film «Tomorrow» angesehen, in welchem es um Lösungen ging, um den Klimaschutz in den kommenden Jahren besser voranzutreiben. Daran anknüpfend haben die Gymnasiasten dann selbständig einen Gemüsegarten angelegt und bepflanzt und von dieser Arbeit wurde dann ein kurzer

Film gedreht. Diesen Film zeige ich jeweils den Schulkindern, die ins Museum kommen, und


"Was die Kinder am meisten berührt, ist zu sehen, wie die Jugendlichen zusammenarbeiten, wie sie gemeinsam einen Beitrag für den Klimaschutz leisten." Pia über ein Vermittlungsprojekt, das sie 2017 gemeinsam mit dem Gymnasium Lugano realisiert hat.



frage sie, welches Bild sie am meisten berührt. Meistens ist das ein Bild einer Blume mit einem Insekt oder das Bild der Zusammenarbeit, das sie beeindruckt. Die Kinder sehen, dass achtzehnjährige Schüler dieses Gymnasiums, hier in Lugano, im Kleinen versuchen, etwas beizutragen. Sie sind jeweils sehr berührt, wenn sie sehen, wie sich die Pflanzen entwickeln, wie sie wachsen. Und das erstaunt mich ehrlich gesagt, denn sie sind sich ja sehr schnelle, dynamische Videos gewohnt, aber hier sind sie ganz ruhig und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus.


Und bei diesem Projekt ging es um eine Sensiblisierung für die Biodiversität im urbanen Raum?

Ja, genau. Wir machen auch sonst sehr viele Vermittlungsaktivitäten in der Stadt. Die Biodiversität in der Stadt ist für mich einer der Schwerpunkte in meiner Vermittlungsarbeit. Es geht für mich auch darum zu zeigen, welche Rolle das Museum einnehmen kann, als Vermittler zwischen Natur und Mensch, selbst in der Stadt. Die Kinder lieben es, Geschichten zu entdecken von der wilden Natur in der Stadt. Sie sehen, dass es eigentlich nicht notwendig ist, um die halbe Welt zu fliegen, um die Faszination für die Natur zu erleben. Und diese Erkenntnis, dieses Wissen nehmen sie auch mit nach Hause.


Welche Rolle spielen digitale Medien in deinem Vermittlungsalltag? Welche Erfahrungen hast du in diesem Bereich gemacht?

Ich persönlich mache wenig digitale Vermittlung, das ist eine bewusste Entscheidung. Ich schätze diese Art der Annäherung natürlich auch, aber ich finde, digitale Medien können das Menschliche nicht ersetzen, das Lächeln, die Blicke, das Arbeiten mit den Händen. Das alles


"Die Kinder lieben es, Geschichten zu entdecken von der wilden Natur in der Stadt. Sie sehen, dass es eigentlich nicht notwendig ist, um die halbe Welt zu fliegen, um die Faszination für die Natur zu erleben."

ist Kommunikation und man kann die Leidenschaft, die Begeisterung nicht mit digitalen Medien vermitteln. Darüber hinaus ist der Austausch etwas vom Wichtigsten in der Vermittlung und digitale Medien bewirken eigentlich das Gegenteil, sie begünstigen individuelles Arbeiten, einen individuellen Museumsbesuch. Für uns ist es deshalb wichtiger, ein Ort des menschlichen Kontakts zu sein und ein Laboratorium, wo man gemeinsam


"Der Austausch ist etwas vom Wichtigsten in der Vermittlung und digitale Medien bewirken eigentlich das Gegenteil, sie begünstigen individuelles Arbeiten, einen individuellen Museumsbesuch." Einblick in eine der wenigen digitalen Stationen im Museo di storia naturale.



diskutieren kann, anstatt sich einfach nur etwas anzuschauen. In unserem Museum gibt es beispielsweise noch fast keine Animationen, Toninstallationen oder Augmented Reality-Stationen und ich finde, dass dadurch auch Platz entsteht für die Fantasie, die eigene Vorstellungskraft und für Fragen. Man geht aus dem Museum und fragt sich vielleicht, wie sich das Tier, das man in der Vitrine entdeckt hat, bewegt und wo es in der Natur zu finden wäre.


Und dadurch wird man ermutigt, selbst in die Natur zu gehen und Informationen zu sammeln?

Genau. Es geht darum, Platz für die Neugierde zu lassen. Nicht primär Wissen zu vermitteln, sondern die Freude am selbständigen Entdecken zu entfachen. Das ist für mich das Ziel der Vermittlung. Und ich denke, das gilt nicht nur für naturhistorische Museen. Auch wenn ich mir ein Bild in einem Kunstmuseum anschaue, möchte ich nachher nach Hause gehen und mehr darüber erfahren. Das ist die grosse Herausforderung der Vermittlung und hier lohnt es sich meiner Meinung nach, zu investieren. Auch in der Natur, speziell in den Wäldern, werden immer mehr Tafeln mit Hintergrundinformationen aufgestellt, die zweifellos grafisch sehr schön gestaltet sind. Aber während ich mich an keine einzige dieser Tafeln erinnere, sind mir die Personen, die mir Geschichten über die Natur erzählt haben, in Erinnerung geblieben, weil sie etwas in mir ausgelöst haben, weil sie mich berührt haben. Da geht es nicht um eine reine Wissensvermittlung, sondern um die persönliche Beziehung.



Interview: Silja Widmer

© Fotos: Silja Widmer / Museo di storia naturale Lugano

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